4. Den Mann in sich selbst finden

4.1 Männliche Identität aus sich heraus entwickeln


Auf dem Weg zu einer selbst bestimmten Identität stoßen Männer auf Widerstände, die diesem Ziel entgegenstehen. Diese Widerstände sind ebenso in unserer Gesellschaft zu finden wie in den Männern selbst.

An den Erwartungen, die an die Männer von außen, also durch die Gesellschaft gestellt werden, ist nicht nur zu kritisieren, dass sie uneinheitlich, oft sogar widersprüchlich sind. So sollen Männer im Berufsleben hart, auch gegen sich selbst, zu Hause aber zugewandt und offen gegenüber der Partnerin und den Kindern sein. Von Männerforschern wird diese Widersprüchlichkeit zwar zu recht beklagt. Damit verbunden ist aber allzu oft die Ansicht, dass die Männer besser sein würden, wenn sie von den Optimierungszwängen des Kapitalismus befreit wären. Männer würden - so diese Meinung - lieber mehr im Haushalt mitarbeiten und sich stärker der Partnerin und den Kindern zuwenden, wenn die Gesellschaft sie nur ließe.

Dabei wird verkannt, dass auch diese Kritik nur einer Optimierungsstrategie das Wort redet. Denn auch die in der öffentlichen Meinung verbreitete Meinung, Männer sollten sich nun endlich der Familie zuwenden und „weicher“ werden, hat erst mal kein Interesse daran, was denn die Männer selbst wollen. Vor dieser Frage steht bereits fest, wie sie sein sollen - und das orientiert sich keinesfalls an ihren eigenen Bedürfnissen.

Zu kritisieren sind also zunächst weniger die Inhalte, als vielmehr die Art und Weise, wie hier einseitige feministische Ansichten zu Handlungsanweisungen für Männer werden. So gegensätzlich die beiden Anforderungen zuerst erscheinen - dass Männer hart gegen sich sein oder ihre weichen Seiten entdecken sollen - so sehr geht es beiden jeweils um „Männeroptimierung“. Männer sollen sich bloß nicht fragen, was sie selbst sein wollen, sie sollen vielmehr so sein, wie es die anderen von ihnen erwarten.

„Die anderen“, das kann die Partnerin sein, das können aber auch die Firma, der Verein, die Clique oder die „Gesellschaft“ sein. In jedem Fall geht es darum, dass Männer funktionieren. Diese Diskussion hat sich mittlerweile so verselbständigt, dass selbst die Männerforschung zu weiten Teilen davon bestimmt ist und es den Männern am Ende nicht einmal mehr selbst auffällt.

Natürlich kann das nur funktionieren, weil Männer bei diesem Spiel selbst mitmachen. Doch auch hier wissen wir, dass es sich dabei keinesfalls um eine freiwillige Entscheidung oder um eine biologische Disposition handelt. Vielmehr prägen die Anforderungen, denen Jungen bereits im frühesten Alter ausgesetzt sind, Männer derart, dass sie es verlernt haben, auf sich zu achten und ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen. Statt dessen werden sie zu Mutterbedienern, die über diesen Weg versuchen, ihr Leben halbwegs in Zufriedenheit zu gestalten - was jedoch kaum gelingt.




Aus dieser Konstellation entwickelt sich ein so interessantes wie bezeichnendes Paradox:

Da sich der Mutterdienst im erwachsenen Leben keinesfalls nur auf die Partnerin bezieht, sondern durchaus auch auf „Mutter Firma“, „Mutter Freundeskreis“ oder gar „Mutter Gesellschaft“ einschließen kann, treten häufig Konkurrenzen zwischen den Anforderungen dieser „Übertragungsmütter“ auf.

„Übertragungsmütter“ bezieht sich dabei auf alle Personen und Strukturen, gegenüber denen sich Männer so verhalten, wie sie es in ih...




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4.2 Mit Zufrieden sein zufrieden sein?


Der erste Schritt auf dem Weg zu einem positiven männlichen Verständnis muss zunächst in Verunsicherung führen. Die Unzufriedenheit mit der
gegenwärtigen Situation muss gespürt, ja erlitten werden, der Wille zur Veränderung reifen.


Aus einem Forum:
Ein Mann schildert seine Situation, die durch ein übergroßes Bemühen, es allen Seiten recht zu machen, gekennzeichnet ist. Er ist hin- und her gerissen zwischen den Ansprüchen seiner Ex-Frau und seiner jetzigen Partnerin. Während seine Ex-Frau immer wieder darauf drängt, dass er sich intensiv den beiden Kindern zuwendet, möchte seine Partnerin, die nicht in der selben Stadt wie er wohnt, in der gemeinsamen Zeit seine ungeteilte Aufmerksamkeit haben. Er erkennt die Ansprüche von beiden Seiten an, fühlt sich aber oft überfordert.

User 1: Und was brauchst du, um in deiner Situation glücklich zu sein?
Mann: Glücklich bin ich, wenn ich zufrieden bin. Und zufrieden bin ich, wenn ich den Ansprüchen meiner Kinder und meiner Partnerin gerecht werde.
User 1: Das heißt also, dass du die Ansprüche beider Seiten gerechtfertigt findest und auch akzeptierst?
Mann : Natürlich.
User 2: Du bist also glücklich, wenn du die an dich gerichteten Ansprüche erfüllst?
Mann : Naja, Glücklich nicht, aber ich bin zufrieden. Und das ist es, worauf es ankommt.
User 2: Und du fragst dich nicht, wo du dabei bleibst? Willst du nicht mal was für dich haben? Du scheinst dich ja enorm aufzureiben.
Mann : Das stimmt. Ich komme da nicht vor. Ich würde ja gern mal etwas für mich tun, meinen Hobbys nachgehen oder einfach nur mal an einem Samstagnachmittag in einer Kneipe die Bundesliga live sehen. Aber dazu habe ich keine Zeit. An den Wochenenden bin ich entweder bei meiner Partnerin oder sie ist hier. Manchmal bin ich dann auch mit meinen Kindern zusammen. Das gibt immer mal Zoff, weil gerade meine jüngste nicht möchte, dass meine Partnerin dabei ist. Deswegen versuche ich, manchmal etwas mit ihr allein zu unternehmen. Aber dann fühlt sich meine Partnerin allein gelassen, sie möchte halt die Zeit mit mir zusammen verbringen, wenn wir uns schon mal sehen.
User 1: Und die Woche über, wie ist es da?
Mann : Da bin ich immer für meine Kinder da, wenn sie mich brauchen. Sie können
immer kommen und ich unternehme etwas mit ihnen. Und dann arbeite ich auch viel. Ich muss halt Geld verdienen.
User 2: Und bei all dem ist es nicht möglich, dass du auch mal Zeit für dich hast?
Mann : No, ich merke schon, dass ich auch Zeit für mich brauche. Aber so, wie es jetzt läuft, geht das nicht. Mit meiner Partnerin habe ich mal darüber gesprochen, dass ich alle zwei Monate ein Wochenende für mich haben möchte. Aber das fand sie zu viel. Sie ärgerte sich, dass wir dann noch weniger Zeit miteinander verbringen wurden, weil das ja ein Wochenende beträfe, an dem ich jetzt ohne die Kinder nur mit ihr zusammen bin.


Die Haltung dieses Mannes ist typisch. Wenn die anderen zufrieden sind, ist er es auch. Als sich seine Frau von ihm getrennt hatte, sollte er zunächst nicht so viel für die Kinder da sein, denn die Frau hatte einen neuen Partner, mit dem sie „Familie leben“ wollte. Als sie sich dann auch von diesem wieder trennte, forderte sie wieder mehr Engagement von ihrem Ex-Mann. Der wiederum war froh, endlich eine größere Rolle zu spielen. Er kam mit ihr überein, dass sie sich beide gemeinsam um die Kinder kümmern damit sie unter der Trennung der Eltern nicht so sehr leiden. Schwierig wurde das dann, als er eine neue Frau kennen lernte. Nun drängte die Ex-Frau noch mehr darauf, dass er die Kinder nicht vernachlässige und der vereinbarten gemeinsamen Sorge um sie gerecht würde. Das führte ihn unter anderem zu der Überlegung, mit der Ex-Frau und den Kindern wieder zusammen zuziehen, um innerhalb der Woche voll und ganz für die Kinder da sein zu können.

Diese Konstellation könnte man in mehrfacher Hinsicht analysieren.



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4.3 Der Weg ins Alleinsein




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4.4 Der notwendige Vater


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4.5 Raum für Gefühle


Ich habe von der Notwendigkeit des Weges ins Alleinsein gesprochen. Auch daran lassen sich gute von schlechten Angeboten unterscheiden.

Angebote, die Männern vorgaukeln, dieser Schritt sei nicht notwendig, zeugen von mangelnder Vaterkraft. Denn wer sie macht, will den betreffenden Männern unangenehme Gefühle ersparen und sie vielleicht durch Gefälligkeit an sich binden. Doch Vaterkraft zeichnet sich auch dadurch aus, anderen Unangenehmes zuzumuten, wenn es für deren Entwicklung notwendig ist. Das gilt besonders für das Spüren des Alleinseins. Eine wichtige Aufgabe nachträglicher Bevaterung ist daher, den Schritt ins Alleinsein zu fördern und dabei zu helfen, das Alleinsein auch auszuhalten.

Der nächste Schritt zum eigenständigen Mannsein besteht aber darin, wieder stärker die eigenen Gefühle und eine eigene Sprache zu finden. Männer, die ihre bisherigen Sicherheiten aufgegeben haben, erzählen, dass sie an diesem Punkt der Entwicklung in sich ein große Wut aufsteigen spüren oder traurig sind.

Das ist typisch für die Empfindungen, die aus der Ratlosigkeit heraus entstehen. Es geht zunächst nicht um die gegenwärtige Situation, also etwa um die Partnerschaft. Es geht vielmehr um die Ursachen der Ratlosigkeit. Und diese sind fast immer in der Erfahrungen der Kindheit zu finden.

Ärger macht sich breit über frühen Missbrauch und die frühen Vernachlässigungen, Verzweiflung über die nicht wahrgenommene Kinderseele bricht hervor. Das passiert zuerst verbal, denn viele Männer haben es nicht gelernt, solche, als negativ empfundene Gefühle unmittelbar auszudrücken. Sie brauchen erst einmal Bestätigung, dass sie richtig empfinden.

Häufig spüren Männer ihre Wut auch nicht unmittelbar. Das kann ein Zeichen dafür sein, dass die Wut mit besonderen Verboten belegt war. Es kann aber auch der Ausdruck einer emotionalen Zwickmühle sein, in der sich der Mann als Kind befand: Damals war er wütend, weil die Mutter so mit ihm umging, aber wenn er diese Wut ausgedrückt hätte, hätte er vielleicht noch weniger bekommen als ohnehin schon. Deshalb schluckte er die Wut lieber ganz herunter. Als erwachsenem Mann nun fällt es ihm immer noch schwer, die Wut zu empfinden und auszudrücken. Dass aber Wut in seiner Seele steckt, zeigt sich an seinen Reaktionen.

Wichtig ist, dass diesen Gefühlen ein Raum zur Verfügung gestellt wird, der zweierlei anbietet:
Zum einen Schutz, verbunden mit der Möglichkeit, diese heftigen Gefühle auszuleben ohne sich und/oder andere zu verletzen oder Gegenstände zu beschädigen.

Zum zweiten aber muss dem Mann auch die Erlaubnis gegeben werden, diese Gefühle auszuleben. Da Wut und Verzweiflung Empfindungen sind, die in der Kindheit zumeist verboten waren und deren Ausleben oftmals mit Strafe und Liebesentzug geahndet wurden, fällt es Männern sehr schwer, diese Gefühle auch wirklich zuzulassen. Sie beißen sich lieber auf die Zunge, statt zu schreien. Das Schweigen der Männer, das immer wieder beklagt wird, hat in den frühen Verboten, in Entwertungen und
Nichtbeachtung seinen Ursprung.

Es ist wichtig, dass diese heftigen Gefühle in ihrem Ursprung richtig verstanden werden. Bei solchen Wutattacken oder Verzweiflungsausbrüchen handelt es sich um Empfindungen, die mit der eigenen frühen Geschichte zusammenhängen. Wird das nicht beachtet, besteht die Gefahr, sie im realen, gegenwärtigen Geschehen auszuleben, wie es im Alltag oft geschieht. Es wird dann eine Frau oder ein anderer Mann geschlagen, es werden Gegenstände zerstört oder gar Suizid begangen. Die Zerwürfnisse im Geschlechterverhältnis lassen sich so als Ausleben früher Gefühle verstehen - und zwar bei Männern wie Frauen.

Wenn Männer sich wirklich verändern wollen, stoßen sie inmitten ihrer Ratlosigkeit fast zwangsläufig auf heftige Gefühle, die zum Ausdruck gebracht werden müssen, um der weiteren Entwicklung nicht im Weg zu stehen. Dafür ist es wichtig, dass sie sich Räume zu diesem Zweck schaffen. Auch hier brauchen sie Hilfe und Unterstützung.

Selbstverständlich ist auch das ein sich wiederholender Prozess.

Die Wut muss immer mal wieder ausgedrückt, die Verzweiflung immer mal wieder gelebt werden. Ich spreche hier also nicht von einem einmaligen Vorgang, den man irgendwie hinter sich bringen muss. Vielmehr geht es um eine neue Lebenshaltung, die erarbeitet sein will. Dazu gehört die Akzeptanz immer wieder auftauchender Ratlosigkeit, Wut und Verzweiflung. Der Lohn dieses Weges liegt darin, sich zu entdecken und den Kontakt zur eigenen Männlichkeit zu finden.

4.6 Mannsein im Alltag


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4.7 Die Kraft des Vaters


Über diese Grundlagen hinaus, hinsichtlich derer sich Frauen und Männer weniger dem Entwicklungsziel nach als mehr in dessen konkreter Ausgestaltung unterscheiden, gibt es aber auch wesentliche Merkmale, die spezifisch männlich sind und deren Integration in ein positives Bild von Männlichkeit von zentraler Bedeutung sind.
Das gilt für den Einzelnen, mehr aber noch für die Gesellschaft als Ganzes.

Auch hier ist Männlichkeit nicht als Widerpart einer wie auch immer verstandenen Weiblichkeit zu sehen, womit das Gegeneinander der Geschlechter fortgesetzt würde. Es geht vielmehr um die Anerkennung von Verschiedenheit bei gleichzeitiger Bezogenheit. Männlichkeit wird zur Karikatur ihrer selbst, wenn sie sich als der Weiblichkeit überlegen stilisiert. Und das gilt natürlich auch umgekehrt.

Die Alternative zum Gegeneinander ist jedoch nicht die Negierung von Unterschieden, sondern gerade ihr Erkennen und ihre Würdigung. Wenn es neben der Fortpflanzung auch einen sozialen Sinn gibt, dass es Männer und Frauen gibt, dann kann dieser nur in einer aufeinander bezogenen Verschiedenheit liegen.


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4.8 Soziale Anforderungen und die logischen biologischen Unterschiede


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4.9 Männliche Körperlichkeit


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4.10 Selbstbewusste Männlichkeit


Auch jenseits von Sexualität ist Manneskraft wichtig, gerade in ihrer Unterscheidung zu weiblicher Kraft und weiblichem Willen. Der bereits angesprochene Schöpferwille, die Neugier und das Verstehenwollen der Welt sind zentrale Ausdrucksformen von Männlichkeit.

Und noch einmal: Selbstverständlich können und wollen auch Frauen schöpferisch tätig sein. Wenn ich Schöpferkraft als Bestandteil männlicher Identität bezeichne, geht es mir zum einen darum, einen unmittelbaren Bezug zum männlichen Körper herzustellen.

Zum anderen möchte ich aufzeigen, wie ein gesellschaftliches Selbstverständnis von guter Männlichkeit aussehen könnte. Auf dieser Basis erst lässt sich ein authentisches Miteinander von Frauen und Männern gestalten.

Dass es hierbei keinesfalls um Fragen des „Dürfens“ und „Könnens“ geht, sollte deutlich geworden sein. Vielmehr geht es um das „Wollen“, um die Motivation, um die eigene Lebenshaltung. Es wird zunehmend absurder, wie unter ideologischen Gesichtspunkten Gleichmacherei unter den Geschlechtern betrieben wird. Dabei werden die Widerstände, die Mädchen und Jungen, Frauen und Männer durch ihr faktisches Verhalten zum Ausdruck bringen, nicht reflektiert oder als traditionelles Verhalten abgetan.

Mittlerweile bestätigt auch die Hirnforschung, dass es erhebliche Differenzen zwischen den Geschlechtern gibt, die nicht nur durch die Anatomie, sondern auch die daraus abgeleiteten Verhaltensweisen betreffen. Dabei wurde die Erkenntnis gewonnen, dass es vor allem um die Motivation geht, das eine lieber zu tun und das andere lieber zu lassen.

Das sich das Berufsspektrum von Mädchen und Jungen trotz aller Programme, die vor allem Mädchen für die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) begeistern sollen, kaum verändert hat, sollte endlich dazu führen, geschlechtsspezifische Lebensentwürfe gelassener zu betrachten. Es geht um Gleichberechtigung, nicht um Gleichmacherei.